09.07.2013 Ziel: Ny-Ålesund 26 sm
Gegen 4:00 Uhr werde ich von dem Signalton der GPS Ankerwache geweckt. Wenige Augenblicke später kommt auch schon Skipper Ralph aus seiner Koje und stellt fest, dass der Anker nicht mehr hält. Es ist nicht zu ändern; der Anker muss aufgeholt werden und neu gesetzt und eingefahren werden. Wir können der übrigen schlafenden Crew diesen Krach leider nicht ersparen. Nach einigen Versuchen hält der Anker um 04:30 Uhr und ich übernehme die erste Ankerwache. Ab 06:30 Uhr ist Ralf aus dem Vorschiff mit der Ankerwache dran. Ich wecke ihn und er ist nicht einmal abgeneigt Ankerwache zu halten, kann er doch an seinen Logbüchern weiter arbeiten. Ich verkrieche mich wieder in meine Koje.
Gegen 8:30 Uhr ist dann aber Schluss mit der Nachtruhe. Da ich meine Lotsenkoje direkt in der Messe habe, werde ich immer wach, sobald einer sich Richtung Deck bewegt. Da es von unserem Ankerplatz in der Engelsbukta bis nach Ny-Ålesund nur rund 25 sm, haben wir alle Zeit der Welt. nach einem ausgiebigen Frühstück kommt das Kommando Ankerauf um 11:00 Uhr. Beim hochziehen des Ankers das gleiche Bild wie bereits bei unserem nächtlichen Ankermanöver. Der Anker holt jede Menge Kraut mit hoch. Kein Wunder dass der erste Anker nicht richtig gehalten hat. Das bisschen Wind kommt mal wieder direkt von vorne. Das Thermometer zeigt fünf Grad und dazu sehr viel Feuchtigkeit in der Luft. Strichweise regnet es auch. Langsam aber sicher schleicht sich eine sehr feuchte unangenehme Kälte ein.
Zwischen uns und Ny-Ålesund liegt nur ein Höhenzug, der umsegelt werden muss. Am
Horizont sehen wir mal wieder eine Segelyacht, die, wie alles andere auch, in Regen und
Nebel verschwindet. Wie so oft reicht die Sicht unter den Wolken vielleicht eine Meile,
oberhalb von 30 m ist der Taupunkt unterwegs, Nebel.
Ny-Ålesund
Wir nähern uns Ny-Ålesund und bei der Einfahrt in den Hafen enddecken wir die Reste eines Eisberges, der sich zum Glück nicht von der Stelle bewegt. Nach 24 sm legen wir um 15:30 Uhr an. Zeitgleich legt eine alte Bekannte auf der anderen Seite der Kaimauer an. Das Kreuzfahrtschiff MS „Hamburg“, die wir bereits im Isfjorden gesichtet hatten. An der Reling stehen die Passagiere, Hafenkino diesmal von unten nach oben und umgekehrt. Die Passagiere der MS „Hamburg“ wurden am Ende der Gangway zunächst von einem Eisbären begrüsst und die nächste Attraktion für die Kreuzfahrttouristen war die deutsche Segelyacht. Wir wurden gefragt ob wir Teil eines größeren Forschungsprojektes wären, worauf der älteste Mitsegler antwortete, dass wir im Auftrag von Jugend forscht unterwegs seien.
Da unsere frischen Brotvorräte nahezu aufgebraucht sind, frage Ralf ein deutsches Crewmitglied der MS „Hamburg“, ob auf dem Kreuzfahrtschiff noch frisches Brot vorhanden sei. „Warte mal“, antwortet der Seemann, „bin gleich wieder da“. Und dann übergibt uns der freundliche Seemann eine halbe Mülltüte voll mit leckeren Brötchen, die sonst vermutlich entsorgt worden wären. Üblicherweise wird das Brot auf solchen Schiffen jeden Tag frisch gebacken und die Überschüsse werden in der Regel vernichtet.
Geschichtliche Highlights aus Ny-Ålesund
Ny-Ålesund ist ein historischer Ort. Hier im Kongsfjord begann die Bergbautradition auf Spitzbergen bereits 1610, geriet aber bald darauf wieder in Vergessenheit, bis man sich 1916 wieder daran erinnerte und den Bergbau industriell betrieb. Endgültig eingestellt wurde der Betrieb in 1963. Die Anlagen wurden demontiert und verschifft. Eine Lokomotive mit ihren Loren hatte man vergessen und 1980 als Museumsbahn restauriert.
Ny-Ålesund steht aber auch für die Pioniere der Luftfahrt und damit für die Entdeckung des
Nordpols. Das Luftschiff „Norge“ wurde vor seinem ruhmreichen Flug zum Nordpol an dem
Mast im Hintergrund „geparkt“. Der Norweger Amundsen, dem hier natürlich ein Gedenkstein gewidmet ist, der Italiener Nobile und der amerikanische Millionärserbe Ellsworth überflogen
mit ihrer Crew am 12. Mai 1926 von hier aus erstmals den Nordpol.
Heute ist Ny-Ålesund ein Ort an dem verschiedene Länder Forschungsstationen unterhalten.
Zehn Nationen betreiben hier Polarforschung, darunter Indien und China. Wir finden auch einen Ableger des Alfred Wegener Instituts (AWI) und einen kleinen Schuppen, den ein paar Witzbolde Austria zugeordnet haben.
Für die Touristen der „Hamburg“ und auch für uns steht das nördlichste Postamt der
Welt natürlich an erster Stelle.